Da Die Ära der schweigenden Muse jetzt auch im Print erhältlich ist, finde ich, wäre es ganz nett, ein wenig über die Hintergründe zu berichten, weshalb ich das Buch überhaupt geschrieben habe.
Was denkt ihr?
Die Ära der schweigenden Muse schrieb ich als eines meiner ersten Bücher. Soweit ich mich erinnere, sogar vor Die letzte Wahrheit. Dies ist nun bestimmt sieben, wenn nicht mehr Jahre her.
Die Idee zu dem Buch bekam ich, nachdem ich mir im Fernsehen einst Billy Wilders Boulevard der Dämmerung anschaute. Darin spielt Gloria Swanson eine alternde Stummfilmdiva, für die sich in den Fünfzigerjahren niemand mehr zu interessieren scheint (Ein Fakt nebenbei: Gloria Swanson gehörte zu den berühmtesten Stummfilmdiven der Zwanzigerjahre, sie kannte sich demnach gut mit dem Thema aus.)
Der Film ist mit Wahrheiten und Halbwahrheiten über die Stummfilmzeit gespickt und auf jeden Fall wert anzuschauen.
Mich brachte ebendieser Film vor allem dazu, mich mehr mit dem frühen Hollywood zu beschäftigten. Ich fragte mich, ob Billy Wilder womöglich echte Schicksale porträtierte. Da ich seit meiner frühsten Kindheit Film- und Fernseheninteressiert bin, war es also nicht verwunderlich, dass ich anfing, mir die persönlichen Schicksale der ehemaligen großen Leinwandhelden einmal genauer anzusehen.
Sowohl Die Ära der schweigenden Muse als auch Die letzte Wahrheit sind Endergebnisse dieser Recherchen. Ich las haufenweise Bücher über die Stummfilm und frühen Tonfilmzeiten. Biographien von Leinwandlegenden und den Frauen und Männern hinter der Kamera. Traurigerweise gibt es viele Bücher nicht mehr im Handel zu kaufen, weshalb ich die Welt der Antiquariate für mich entdeckte (und die Sucht seitdem nicht mehr los wurde. Man findet wirklich die besten Bücherschätze in Antiquariaten).
Aber warum sind gerade Stummfilmschauspieler so besonders?
Nun, anders als heute gab es kein Fernsehen, kein Internet, keine Reality-Shows. Einen Schauspieler traf man damals meist am Theater an, doch der Stummfilm schien diese Leute für den Normalbürger plötzlich viel lebensnaher, gleichzeitig aber trotzdem zu einem unerreichbaren Idol zu verwandeln. Durch die Erfindung Film, war eine harte Ausbildung im Theater plötzlich nicht mehr unbedingt nötig, um Schauspieler zu werden. Viele Frauen und Männer kamen nach Hollywood, nicht zwangsläufig, um ihr Talent vorzeigen, sondern weil – genau wie heute- der Ruhm doch die größte Anziehung ausübte.
Bei ihren Fans wurden sie vor allem aufgrund ihres Aussehens geliebt (aber unterschätzen wir die Besetzungscouch nicht, die gab es damals wie heute und wurde im großen Maße auch gebräuchlich. Es ist eigentlich erschreckend zu sehen, wie viele Leinwandlegenden dort anfingen bzw. endeten. Männer wie Frauen). Als der Stummfilmstar Rudolph Valentino (seiner Zeit galt er als einer der hübschesten Menschen der Welt) starb, sollen sich vor Trauer einiger seiner Fans sogar selbst das Leben genommen haben, da sie sich ein Leben ohne ihren geliebten Star nicht vorstellen konnten. Stummfilmstars kann man somit durchaus als die ersten, richtigen Superstars der Filmgeschichte bezeichnen. Und anhand solcher Geschichten, wie die des Rudolph Valentinos, erkennt man vielleicht den Grund, weshalb von außerhalb der Beruf des Schauspielers seitjeher so beliebt ist. Wird man doch fast auf dasselbe Podest wie ein Gott gestellt. Diese Tatsache zieht die Menschen an, wie die Motte das Licht. Kein Wunder also, dass jeder jeden übertrumpfen wollte.
Allerdings veränderte der aufkommende Tonfilm alles. Die Schauspieler, die vor kurzem noch als Götter verehrt wurden, waren plötzlich nichts mehr wert, wurden mehr oder weniger aussortiert. Unpassende Stimmen oder Gesichter, die man nur mit dem Stummfilm verband, waren nicht mehr gefragt. Ein neuer Wind wehte in Hollywood. Die Veränderung stand an. Es war sozusagen ein Rundumschlag, der Hollywood in eine ganz neue Ära verfrachtete. Die Ära der Skandale, die Hollywood den Ruf des Sündenpfuhls verpasste, war vorüber. Vielleicht überzog die sonst so laute Glitzerstadt in jenen Jahren zum ersten Mal ein echter Schleier der Stille. In den Jahren, in den ironischerweise der Ton Einzug in die Filmwelt fand.
Und wie oben bereits erwähnt, ein Schauspieler besaß damals einfach nicht die Möglichkeit, sich selbst weiterhin mit seinem Profil in die Öffentlichkeit zu stellen. Bestand keine Nachfrage, hieß das eben kein Engagement und ein damit hinschwindendes Erscheinungsbild in der Öffentlichkeit.
Es war nicht unüblich, dass Gerüchte aufkamen, ehemalige Stummfilmdarsteller, die einst massig an Geld verdienten, endeten plötzlich obdachlos und verarmt auf der Straße, in Psychiatrien oder aber sogar im Selbstmord.
Trotzdem gab es natürlich gleichermaßen diejenigen, die den Sprung ins Tonfilmdasein überstanden und größer denn je wurden. Greta Garbo, beispielsweise.
Die Ära des Stummfilms ist ein hochinteressantes Thema. Weder in diesem Beitrag noch in meinen Büchern konnte ich aber aufgrund des riesigen Umfangs alles wiedergeben, was sich damals ereignete. Es lohnt sich wirklich einmal einen Blick auf diese Zeit zu werfen, vor allem für Filminteressierte. Die Dramen und Skandale mögen hin und wieder vielleicht ein wenig zu stark oder zu minder dramatisiert worden sein (hängt vom Skandal ab), allerdings finde ich sie persönlich unterhaltsamer als diejenigen, die heute in der Regenbogenpresse abgedruckt werden. Vielleicht kommt das daher, dass ein Skandal früher einfach größere Konsequenzen besaß als heute und demnach ein wenig mehr Spannung in seinem Kern besaß.
Denn welcher Schauspieler setzt heute noch seine Karriere aufs Spiel, sofern er fremdgeht? Früher kostete ein solches Verhalten einem den Kopf. Heute gehört dies zum Alltag. Genauso wie uneheliche Kinder, Drogenskandale und andere moralische Verwerflichkeit.
Es ist gut, dass die Zeiten sich geändert haben. Ich persönlich würde nicht gerne in diesen Zeiten leben und bin mit den Annehmlichkeiten heutzutage durchaus zufrieden. Trotzdem ist es auch immer wieder interessant zu lesen, welche Persönlichkeiten damals eigentlich in Hollywood so mitgemischt haben.
Denn wer würde sonst noch wissen, dass Joseph Kennedy, seines Zeichens Vater von Präsident John F. Kennedy, angeblich eine Affäre mit Gloria Swanson einging, die damals die Boulevardpresse beherrschte?
Kommt einem bekannt vor?
Nun, nur wenige Jahre später, sagte man seinem Sohn eine Affäre mit einer Frau nach, die ebenfalls zu dem Zeitpunkt als besonderer Presseliebling galt. Marilyn Monroe.
Und da sagt mal einer, solche Geschichten könne nur Hollywood erfinden…
Eure Pola